Relativ relevant

Kommunikation im Zeitalter der Dauerempörung

Kreation

Nicht nur als Werbetexter steht man vor der Frage: Duze oder Sieze ich meine Adressat:Innen? Vor diesem Problem steht jedes Individuum, das sich mit Kommunikation beschäftigt. Aber damit ist es ja noch nicht getan.

Eine Pauschalantwort lässt sich auf beide Fragen kaum geben. Wie so oft geht es primär darum, eine Entscheidung unter folgenden Gesichtspunkten zu treffen:

  • Möchte ich mir die Mühe beim Gendern machen?
  • Wer ist meine Zielgruppe?
  • Was erwartet meine Zielgruppe von mir?

Persönlicher Geschmack hat an dieser Stelle nichts verloren. Gesunder Menschenverstand und Empathie schon eher. Es geht darum, sich in die Adressat:Innen hineinzuversetzen und sie so anzusprechen, wie man glaubt, dass es erwartet und gewünscht wird. Geht es darum, Schüler:innen nach ihrem Abschluss für ein Duales Studium im Sport- und Fitness-Bereich zu begeistern, scheint Du angemessen. Wird Führungspersonal für die Bankfiliale gesucht, vermutlich eher ein Sie.

Die nächste Frage kommt direkt hinterher: Wie ist das mit dem Gendern (man blicke unauffällig ein paar Zeilen weiter nach oben)? Zumal Microsoft Word die Begriffe Adressat:Innen und Gendern auch noch beide rot unterkringelt. Was tun?

Ist damit aber wirklich JEDER zufriedengestellt? Vermutlich nicht, aber darum geht es auch nicht. Schließlich muss man sich als Unternehmen fragen: Passen Kandidat:Innen, die sich vom Du oder Sie falsch adressiert oder gar angegriffen fühlen, überhaupt zu uns? Möchte man wirklich diesem Empörungs-Hype Rechnung tragen? Oder kann man das vielleicht auch entspannter sehen?

Im Social-Media-Bereich sieht die Sache noch mal anders aus. Hier scheint es so etwas wie ein ungeschriebenes Gesetz zu geben, dass man duzt. Da die grundlegende Idee zu Social Media aus dem englischsprachigen Raum kommt, ist dieser Ansatz nur folgerichtig. Zwar hat der Begriff sozial im Zeitalter von Hass-Mails etc. stark gelitten, doch die ursprüngliche Intention der freundschaftlichen Kontaktaufnahme/-pflege spricht natürlich ebenfalls für ein freundschaftliches Du. Im Gegensatz zum eher distanzierten, wenn auch in aller Regel professionelleren Sie.

Wir schaffen Aufmerksamkeit. Das ist unser Job.

Bleibt also noch die Frage: Worum geht es eigentlich beim Gendern? Grob zusammengefasst: um Gleichberechtigung. Für viele mag es im Alltag kaum Relevanz haben oder sie machen sich zumindest wenig Gedanken darüber. Wer an ein Publikum kommuniziert, kommt allerdings nicht mehr drum herum. Aber wo liegt das Problem? Ja, es ist ungewohnt. Richtig, es ist umständlich zu schreiben. Und, ganz genau, es ist noch viel umständlicher auszusprechen. Schließlich muss man sich jedes Mal bewusst ins Gedächtnis rufen, dass man Männer UND Frauen ansprechen möchte.

Spoiler Alert: Genau darum geht es!

Es geht nicht darum, klassische Literatur zu gendern und alles neu zu überarbeiten. Wir sind in der Kommunikation tätig – wir beschäftigen uns mit dem, was VOR uns liegt, nicht hinter uns. Dennoch geht es darum, ein Bewusstsein zu schaffen und dafür ein Mittel zu wählen, das sich eh schon immer gewandelt hat und ideal ist, Aufmerksamkeit zu erregen: Sprache.

Dass maskuline Personenbezeichnungen tatsächlich vorrangig männlich interpretiert werden, ganz egal, ob sie generisch gemeint sind oder nicht, haben Psycholinguisten zweifelsfrei belegt. Selbst geschlechtsneutrale Begriffe sind in der menschlichen Psyche als männlich klassifiziert. Schaffen wir da einen Wandel? Meine persönliche Meinung: Schwierig, aber nicht unmöglich. Allerdings nur, wenn man irgendwo anfängt. Ob es sich durchsetzt, wird die Zeit zeigen.

Zum Abschluss ein kleiner Exkurs in den Alltag eines Texters: Das Gendern stellt einen hier vor ganz besondere Aufgaben. Ich persönlich möchte am liebsten von Kundinnen und Kunden sprechen und schreiben, nicht von Kund:Innen. Warum mache ich es nicht? Weil mir die Abteilung Grafik NIEMALS genügend Platz auf Websites, Broschüren und schon gar nicht Anzeigen zugestehen würde, um „Leserinnen und Leser“ konsequent durchzuziehen. Was mache ich also? Eine Entscheidung treffen. Tut ja keinem weh.

Wir bei teufels haben uns dazu entschlossen, sowohl in unserem Newsletter als auch auf unserer Website zu siezen. Wie gehen Sie damit um? Privat und/oder beruflich. Wir freuen uns über Feedback und eine ergebnisoffene Diskussion mit Ihnen und beraten Sie natürlich gern dabei, welches Konzept für Ihr Business das Passende ist.

erstellt von